[Anleitung] Lenkgetriebe überholen

Von A wie Auslitern bis Z wie Zusatzluftschieber ;P
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Brender
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[Anleitung] Lenkgetriebe überholen

Beitrag von Brender »

Da mein Lenkgetriebe fast eine halbe Lenkradumdrehung Spiel hat, musste ich diesen Winter da mal ran. Ich habe es ein bisschen dokumentiert, falls es ein anderer auch vor hat. Das das ganze Sicherheitsrelevant ist und gefährlich usw. sollte jedem klar sein. Hier gehe ich nicht weiter darauf ein.

Bestellliste (Sicherheitslenksäule AbFgstNr, andere weichen ab!):

1x Simmerring 25x36x7
1x Simmerring 40x28x7
1x 1 Liter Lenkgetriebe 80W90 Hypoid Öl
1x Vaseline oder Silikonfett
54x 9/32" Kugeln. Ich empfehle Kugel-Winnie
54x Kugeln im Sonderübermaß, dazu unten mehr

Sonderwerkzeug:

Torsionsschlüssel 0 - 35kpcm (geht auch mit Schnur und Federwaage allerdings mühseliger)
S-1280 (Geht auch was mit der Flex und Feile selbst gemachtes)
S-1281 (Geht auch was mit der Flex und Feile selbst gemachtes)
Lenkstockhebelabzieher
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- Räder exakt gerade stellen
- Als erstes muss der Lenkstockhebel ab, während das Getriebe noch am Fahrzeug ist. Da tut man sich einfach am leichtesten. Man kann warm machen, klopfen, schlagen und fluchen während das Getriebegehäuse am Fahrzeug fest ist und dich auslacht.
- Lenksäule im Fahrzeug etwas lockern, 2 Muttern unterm Armaturenbrett
- Lenkungskupplung lösen
- Getriebe abschrauben
- Getriebe nach vorne weg ziehen
- Getriebe von außen gut reinigen
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- Große Madenschraube oben raus drehen und Öl ablassen
- Den dreieckigen Deckel oben weg schrauben und raus drehen
- Welle nach oben raus ziehen und restliches Öl raus kippen
- Große Mutter an der Seite aufmachen
- Deckel wo die große Mutter drauf war, raus schrauben und Öl raus kippen
- Lenkgetriebe auf 2 Leisten auflegen wo gerade der große Deckel drin war und in die Lenkungskupplung rein schauen
- Lenkungskupplung hat eine Inbusschraube innen. Diese lösen, raus holen und Beilagscheibe beiseite schieben
- Messingdorn durch die Lenkungskupplung durch einführen bis er unten auf der Spindel aufliegt.
- Mit einem Fäustel 2 - 5 beherzte Schläge auf die Spindel geben, bis die Spindel mit Mutter unten raus fällt

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Das kaputte Lager auf meinen Bildern ist das Star Lager der Spindellagerung! Der Ring ist gebrochen!!! Hatte kurz weiche Knie wie ich das gesehen habe. Möchte nicht wissen, was passiert wäre, wenn er beim Fahren geklemmt hätte. Ist mir bei der Demontage entgegen gefallen. Die Lager gibts nicht mehr neu. Ist kein Normteil und Sondermaß, ich habe beim Hersteller Star nachgefragt. Ich konnte noch 2 neue von einem netten Forumskollegen auftreiben. Danke!!! Man könnte die zwar selbst herstellen, aber unendlich aufwändig. Wenn eure nicht gebrochen sind, würde ich diese weiter verwenden! Es darüber nachzudenken den Star Ring vorsichtig aufzubiegen, und wenigstens die Kugeln zu ersetzen. Diese haben auch den Durchmesser 7,144mm wie die Spindel! Opel hat anscheinend mal die Lager gegen welche mit Kunststoffgehäuse ersetzt, weil die aus Stahl ab und zu mal brechen (echt jetzt? :wink: ). Meine 2 neuen sind Kunststoff :). Ansonsten fällt mir noch ein altes Getriebe zu schlachten ein.




- Alle Teile penibel reinigen. Ich habe alles ins Ultraschallbad

Jetzt kommen wir da hin, wo der Hase im Pfeffer liegt. Die Spindel enthält das Lenkspiel. Als Opel die Autos gebaut und verkauft hat, war in der Spindel 0 Spiel. Kaum zu glauben ja, aber es ist so.

- Wenn die Spindel sich locker bewegen lässt, hat sie Spiel
- Hält man die Spindel senkrecht und sie fährt durchs Eigengewicht durch, hat sie Spiel
- Kippelt die Spindel in der Mutter, hat sie Spiel
- Hackt die Spindel zwischen drin, hat sie Spiel


Als erstes muss ermittelt werden, wie viel Spiel. Dazu muss die Mutter so eingespannt werden das der Punkt fix ist. Die Welle muss auch eingespannt werden, allerdings muss dieser Punkt verschiebbar, also nicht fest sein! Linker Schraubstock fest, rechter lose!
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Mit der Messuhr wird nun das Spiel ermittelt durch ziehen des losen Fixpunktes. Bei mir waren es 0,03mm. Die Uhr zeigt hier nicht den vollen Ausschlag an.
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Man zieht das Spiel ja gerade, obwohl die Spindel eine gewisse Steigungsneigung hat. Dadurch bekommt man eine Konturverzerrung bzw eigentlich ein anderes Spiel raus. Das kann man vernachlässigen! Ist im µm Bereich, ich habe es aufgemalt.
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Die Schlitzschraube oben raus drehen und alle 54 Kugeln raus drehen. Alles zerlegen und penibel reinigen. Die alten Kugel weg schmeißen, auch wenn sie gut aussehen! Die Kugeln sind fritte! Nicht mehr rund, zu klein und gebrochen!
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Bild_01 - Kopie mit Beschriftung (Mittel).jpg
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Als nächstes kommen die Kugeln dran. Original haben sie einen Ø von 7,144mm. Ich benötige also Kugel vom Ø7,17mm. Es könnte sein, das da bereits die Spindel klemmt, deswegen wäre auch eine Kugel im Ø7,16 wünschenswert. Ich habe alle Kontakte bei SKF und FAG abgeklappert aber in Deutschland wird ja nichts mehr hergestellt. Schon gar nicht so was einfaches wie ne Kugel :roll: . Dort eine im Sondermaß zu bekommen, ist fast unmöglich. Der Kugel Winni hat auch abgelehnt.
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Nach langem suchen habe ich einen China Händler gefunden. Der bietet doch tatsächlich in hundertstel Abstufungen an! Zur Kugelqualität macht er zwar keine Aussagen aber mangels alternative habe ich ihn angeschrieben. Ich brauche ja keine 1000 Kugeln von einem Durchmesser! Keinen halben Tag später hat er geantwortet! Ich muss 1000 Stück abnehmen, weil es sich sonst, für ihn nicht rentiert, aber ich kann unterschiedliche Durchmesser haben, solange ich in Summe 1000 Stück nehme. Alter, sau geil! Also Ø7,16 und Ø7,17mm bestellt. Vom Kugel Winni habe ich noch 7,15 bestellt, falls der China Mann mich im Stich lässt, oder die Qualität unzureichend ist. Besser wie nix, gibts halt nur bissl Spiel.

Nach 4 Wochen war alles da. Alle Durchmesser im µm Bereich gleich. Qualität sieht sehr gut aus!
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Während dessen kann man sich um den Rest kümmern. Simmerringe tauschen, Schrauben etc. in die Galvanik bringen.
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Danach baut man die Spindel wieder zusammen. Die Spindel muss stramm zu bewegen sein, aber darf nicht klemmen. Alles mit etwas Öl einölen, dass es gut fluscht.
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Nun baut man alles wieder zusammen. Beim einstellen des Reibwertes sollte man sich immer an den unteren Wert des WHB´s halten, wenn man es so wie ich im Schraubstock macht. Das WHB stellt den Reibwert inkl. Lenkrad ein! Man muss also den Reibwert des Lagers in der Lenkspindel abziehen!!! Sonst wird alles zu stramm am Ende. Eine 1/4 Zoll Reduzierung geht genau in die Lenkungskupplung und man kann drehen ohne das sie durch rutscht.
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Mein dreieckiger Deckel war mit 10.9er Schrauben zusammen. Ob das Original ist weiß ich nicht. Die Schrauben bitte nicht mit dem Drehmoment von 10.9er Schrauben in Stahl anziehen! Bitte nicht einfach mit den Händen fest ziehen!!! Macht das maximal mit dem Drehmoment von 8.8er Schrauben, lieber etwas weniger und nutzt zwingend den Drehmoment!!!
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Ich habe leider erst beim Zusammenbau entdeckt, das mein gebrochener Star Ring sich auf der Spindel gefressen hatte! Das solltet ihr vorher kontrollieren und entsprechend handeln. Neue gebrauchte Spindel z.B. oder oder

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Ich habe die Spindel nacharbeiten können. Man kann den Lagersitz einfach nach hinten setzen. Dazu muss der Radius nachgeschliffen werden...

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Fertig ist das spielfreie Lenkgetriebe.

Wenn jemand das gleiche vor hat, soll er mich bitte anschreiben. Ich habe Kugeln in den nötigen Ø liegen. Die gebe ich gegen Versand ab. Ihr müsst nicht in China bestellen!
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Riesen Dank an den netten Forumskollegen für das Werkzeug zum öffnen des Getriebes. Danke für den Torsionsschlüssel. Mega bombastischen Dank für die 2 neuen Star Ringe die original verpackt im Opel Papier waren!!!!! Wirklich danke! Dafür gibts so viel Bier, wie du trinken kannst wenn wir die Fleischmaschine endlich anschmeißen!!!


mfg Sebastian ;)

WHB, ETK auf Anfrage zum Download per PN. Habe Schlossabdeckungen auf Ersatz.
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Re: [Anleitung] Lenkgetriebe überholen

Beitrag von Brender »

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